Malaga Oktober

Malaga Oktober 2018

In Malaga machte ich einen strukturierten Schulbesuchs-Kurs. 18 Lehrer und Schulleiter aus acht Nationen (Tschechien, Slowenien, Polen, Frankreich, Litauen, Italien und mit mir Deutschland) verschafften sich einen Eindruck über das Bildungssystem in Andalusien. Viele theoretische Vorträge über das Bildungssystem in Spanien, über die gesellschaftliche Lage, über Politik, Literatur und Kunst usw. erfolgten an einer überaus modern ausgestatteten, imposanten Universität. Rasch wurde deutlich, wie sehr das Land Spanien noch an der politischen Vergangenheit leidet, wie instabil die gesellschaftlichen und politischen Verhältnisse sind. Sogar in einigen Gesprächen mit den Spaniern kam die Ablehnung zwischen einzelnen Distrikten und Bevölkerungsgruppen deutlich zum Ausdruck. Oh, welch ein langer Weg für Europa, wenn schon innerhalb eines Landes mit 17 autonomen Regionen, 2 autonomen Städten und 52 Provinzen noch so viele verkrustete Vorurteile und Misstrauen herrschen, dachte ich mir da nicht selten. Zwar gilt als offizielle Sprache Castellano, aber zahlreiche inoffizielle Sprachen werden gepflegt wie Katalanisch, Baskisch, Galizisch.
In Spanien gab es bis 1957 kein einheitliches Schulsystem. Seit 1970 gibt es ein einheitliches Gesetz, aber alle 10 Jahre erfolgten Änderungen bis 2014. Diese Veränderungen seien mit vielen Unruhen verbunden gewesen, sagte man uns, verbunden mit wechselnden Lehrplänen und Büchern. Jede neue Regierung nimmt Veränderungen am Schulsystem vor, was zu Misstrauen und Unruhen führt. Der Lehrer habe einen deutlichen Prestigeverlust bei den Eltern erlitten, da früher reiche Kinder leichter zu Diplomen kamen. Ferner verdient der spanische Lehrer weniger als viele andere akademische Berufe. Zwar haben im heißen Sommer die Schüler lange Ferien, aber die Lehrer nicht, sie müssen in der Schule bleiben und Verwaltungsarbeiten verrichten.
Das spanische Schulsystem gliedert sich in drei Blöcke: 6 Jahre Educatión Primaria und vier Jahre Educatión Secundaria Obligatoria, so dass bis 16 Jahre die Schulpflicht herrscht. In dieser Zeit können die Schüler bereits viele Zusatzfächer wie Sprachen, Kunst, naturwissenschaftliche Fächer wählen und so den Grundstein für das Studium legen, was allerdings die Studienrichtung durchaus einengen kann. Wenn ein Jugendlicher unter 16 Jahren jobbt, darf er wegen der Schulpflicht nicht bezahlt werden. Circa 30 % gehen dann auf eine einjährige oder 40 % auf eine zweijährige Compulsory Schule zum Erwerb eines Bachelors und ca. 30% gehen direkt in den Beruf. Ein Studium kann mit 18 Jahren begonnen werden. In den Primary Schools gibt es keinerlei Trennung oder Differenzierung, finanziert werden diese durch die Stadt. Secondary Schools haben eigene Budgets. 70 % der Schulen sind öffentlich, aber bei den Privatschulen übernimmt der Staat auch viele Kosten wie Sachaufwand und Gehälter der Lehrer (wie bei uns). Die Lehrerausbildung erfolgt ausschließlich an der Universität und liegt im Hoheitsbereich der autonomen Regierung. Die Erziehung der ganz Kleinen bis zum Alter von drei Jahren wird mehr und mehr vom Staat reguliert und in die Primary School integriert. Wenn ein spanisches Elternpaar das Einjährige zuhause erziehen und betreuen will, braucht es vom Staat ein Zertifikat dafür!

Hannelore Reil-Heining